Auf dem E1 von Detmold nach Altenbeken – Teil 2
Flora, Fauna und eine beeindruckende Gesteinsformation.
In seinem Reise- und Wanderblog Breitengrad66 erzählt Journalist Thomas Limberg von seinen Reisen in der Welt und direkt vor seiner Haustür. Was er in zwei Tagen auf dem E1 von Detmold nach Altenbeken gesehen und erlebt hat, beschreibt er hier als Gastautor. Im zweiten Teil erzählt er von der Adlerwarte Berlebeck, dem Velmerstot und dem Zauber der Externsteine.
Direkt hinter der Hütte, in der Bildhauer Ernst von Bandel während der Errichtung des Hermannsdenkmals gelebt hat, verläuft der E1. Der Weg ist hervorragend ausgeschildert. Ein Verlaufen ist praktisch nicht möglich. Ich biege ein in ein Naturschutzgebiet. Nächstes Zwischenziel ist Berlebeck, das jetzt noch 4,5 Kilometer entfernt liegt. Komplett flach geht es durch den Wald. Frisches Grün sprießt überall. Die einzigen Geräusche, die ich höre sind die unzähligen Vogelstimmen und dann und wann ein Rascheln im Laub. Buchfinken sind in Massen unterwegs, auch einige Spechte kann ich beobachten. Doch was raschelt da eigentlich im Laub? Erst sehe ich nichts, doch dann habe ich Glück und eine putzige Rötelmaus schaut mich mit ihren knuffigen Knopfaugen an. Für einen Moment kann ich ihr dabei zuschauen, wie sie genüsslich an einem Grashalm mümmelt. Dann ist sie plötzlich so schnell wieder weg, wie sie gekommen war.
Berlebeck ist schnell erreicht. Ich komme an einer Adlerwarte vorbei und lasse es mir nicht nehmen, auch dieser einen Besuch abzustatten. Die Warte ist nicht sonderlich groß. Trotzdem bin ich froh, dass ich dort war. Wunderschöne Tiere, die man sonst eher selten irgendwo zu sehen bekommt, sind hier beheimatet. Meine Kamera wird fast schon überstrapaziert. Unerschöpfliche Fotomotive ergeben sich rund um die majestätischen Tiere.
Mit der flachen Wanderung ist es in Berlebeck allerdings vorbei. Hinter der Adlerwarte fällt das Gelände steil ab. Der E1 führt hinab in den Ort. Dort läuft man ein kleines Stück entlang eines plätschernden Baches und dann gleich wieder den Hang hinauf. Es gilt, den 401 Meter hohen Stemberg zu überqueren. Abermals beginnt der Schweiß zu fließen. Doch die kurzfristige Anstrengung lohnt sich. Vom Bergrücken lässt es sich weit blicken. Dort oben steht auch ein Gedenkstein an die sogenannte Vogeltaufe. Der Legende nach wollte der Abt Athanasius einst heidnische sächsische Edelleute an der Stembergquelle taufen. Um dies mit entsprechendem Gesang zu begleiten, sollten Mönche aus Paderborn anreisen. Noch vor der Feier erschien jedoch einer der Sänger staub- und blutbefleckt und berichtete, dass sie von Sachsen überfallen und auseinandergejagt worden seien. Man riet dem Abt, die Taufe zu verschieben, was dieser jedoch ablehnte. Als dann einer der ehemaligen Waffengefährten Widukinds, Abbio von Thiotmalli, bei der Taufe allen heidnischen Göttern abschwor, rauschte es in der Luft. Hunderte von kleinen braunen Vögeln ließen sich an der Quelle nieder und ließen einen Lobgesang hören, wie ihn vorher und nachher kein menschliches Ohr je vernommen haben soll.
Stellenweise ist der Rücken kaum bewaldet. Eine wunderschöne Bergheide hat sich hier erhalten. Nur ganz kleine Fichten recken ihre zarten Spitzen zwischen den Blaubeerbüschen und Heidekräutern hindurch. Ich verbringe eine ganze Zeit hier oben und schaue den fleißig schwirrenden Bienen dabei zu, wie sie den ersten Nektar des Jahres sammeln. Ganz weit in der Ferne habe ich bereits den Aussichtsturm auf dem Velmerstot vor Augen, auf den es mich im weiteren Verlauf der Wanderung am kommenden Tag ziehen wird. Umso weiter ich hinab steige, desto feuchter werden offenbar die Wiesen am Wegesrand. Immer mehr Schlüsselblumen sind zu finden. Im Naturschutzgebiet Bärenstein geht es dann abermals nach oben, bevor ich endgültig die Externsteine erreiche.
Als ich die markante Felsformation zum ersten Mal hinter einem angestauten See durch den Lichten Wald erspähe, bin ich sofort begeistert. Das Naturdenkmal spiegelt sich im Wasser. Ich kann mir vorstellen, warum diese Sandsteinfelsen Stoff für so viele Legenden sind. In der Tat habe ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Warum die Externsteine seit der Steinzeit ganze Generationen fasziniert haben, erschließt sich mir sofort. Sie wirken irgendwie unwirklich und dennoch so herrlich in die Landschaft passend. Dass das Wetter in den letzten Minuten zunehmend schlechter geworden ist und dunkle Wolken am Himmel aufziehen, passt zur Szenerie. Die Steine erscheinen so noch archaischer. Ich will unbedingt hinauf. Von zwei Seiten führen steile Treppen nach oben. Ich stehe auf der Spitze und lasse meine Gedanken kreisen. Was mag sich hier im Laufe der Geschichte schon alles abgespielt haben? Es sind Höhlen, Reliefs und Grotten vorhanden. Wie mögen diese wohl entstanden sein, und vor allem warum?
Es beginnt zu regnen. Mir macht es nichts mehr aus. Die Externsteine sind der Schlusspunkt meiner heutigen Etappe. Das Hotel, von dem ich am Morgen mit dem Bus in Richtung Vogelpark gestartet bin, liegt in direkter Nachbarschaft. Einige hundert Fotos habe ich bereits am ersten Tag auf diesem traumhaften Wanderweg geschossen. Gedanken an das Nordkap oder an Sizilien verschwende ich zu diesem Zeitpunkt keine mehr. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich mit dieser Etappe ein echtes Highlight auf dem E1 erwischt habe und freue mich auf den zweiten Teil der Strecke.