– Nach Naturfotograf Philipp Daweke und den Radfahr-Enthusiasten Bernd und Uschi Biedermann, die den kompletten Europaradweg R1 zurückgelegt haben, durften wir unsere fünf Fragen jetzt zwei E1-Experten stellen, die den gesamten Europäischen Fernwanderweg E1 zusammen erwandert haben.

Der E1 komplett: Vom Nordkap bis Sizilien zu zweit

Anfang Mai 2016 haben Lena und Thilo aus Darmstadt ihre Bürojobs vorübergehend aufgegeben, um ihren Traum vom Fernwanderweg E1 zu verwirklichen. Nach über 8600 Wanderkilometern und mehr als 15 1/2 Monaten auf Tour haben die beiden im September 2017 die ganze Strecke vom Nordkap bis nach Sizilien komplett zurückgelegt. Wie ist es, länger als ein ganzes Jahr durch insgesamt sieben europäische Länder zu Wandern?

Wir haben Lena & Thilo fünf Fragen über ihre Reise quer durch Europa gestellt:

Vom Nordkap nach Capo Passero in Sizilien wart ihr länger als ein Jahr auf Wanderschaft. Wie verbringt man unterwegs Geburtstage, Weihnachten und Silvester?

Lena: An meinem Geburtstag waren wir schon wieder in Dänemark und meine Eltern haben uns besucht. Kurz danach an Weihnachten hatten wir Besuch von Thilos Mama und seinem Bruder und Silvester haben wir bei Freunden an der Nordsee verbracht, die zufällig dort Urlaub gemacht haben.

Thilo: Einer der schönsten Geburtstage, die ich jemals hatte, habe ich im skandinavischen Fjäll verbracht. Ein traumhafter Zeltplatz an einem See, toller Blick in die Berge und die doppelte Essensration, da wir am nächsten Tag wieder auf einen Supermarkt treffen würden. Als Tüpfelchen auf dem „i“ haben wir eine Dose Bier, die Lena auf einer Wanderhütte gefunden hatte, über mehrere Tage durch die Berge getragen und an diesem Abend inmitten wunderschöner Natur bei Mitternachtssonne getrunken.

Im Blog schreibt ihr unter anderem von einer durch einen Erdrutsch entstandenen Lücke im Wanderweg, Waldbränden, etwas zu diensteifrigen Hüte- und Wachhunden, durchgehenden Pferden, Zeltverboten und einer dicken Erkältung – Welches war euer größtes Abenteuer?

Lena: Die größten Herausforderungen waren sicherlich das Überqueren von Schneefeldern, fast tägliche Flussquerungen in Nordnorwegen und die Orientierung im weglosen Gelände. Darauf hatten wir uns aber vorher mental eingestellt und nachher war es ein tolles Gefühl, das geschafft zu haben.
Kein Abenteuer im eigentlichen Sinne – aber psychisch besonders herausfordernd für mich, waren die freilaufenden Wach- und Hütehunde in Süditalien. Ich habe im Alltag schon ziemlichen Respekt vor Hunden…

Thilo: Aber am kritischsten waren wahrscheinlich zwei durchgehende Pferde in Deutschland. Auf einem Feldweg wäre Lena fast über den Haufen geritten worden und hat sich mit einem beherzten Sprung in den Graben gerettet. Klingt blöd – hätte aber tatsächlich übel ausgehen können.
Auch während der Elchjagd an mehreren schussbereiten schwedischen Elchjägern vorbeizuwandern war ein sehr seltsames Gefühl.

In Italien sagte euch ein Italiener sinngemäß, dass die Wanderwege natürlich alle zugewachsen sind, da sie nur alle paar Jahre von einigen wenigen Deutschen genutzt werden. Eine Feststellung, die Humor, aber wohl auch einen Funken Wahrheit enthält. Ist die Einstellung zum Wandern von Land zu Land unterschiedlich?

Lena & Thilo: Definitiv! In Norwegen und Schweden ist (Fern)Wandern eher Teil der Kultur. „Norwegen der Länge nach“ (Durchwandern von Norwegen vom Nord- bis zum Südkap oder umgekehrt) ist z.B. in Norwegen fast jedem ein Begriff.
In Deutschland ist das Wandern auch sehr weit verbreitet, aber weniger das Fernwandern, sondern mehr „Genusswandern“ mit gemütlicher Einkehr. Zumindest war das unser Eindruck, wir waren aber auch in den Wintermonaten unterwegs.
Die Schweizer und Dänen sind nach unserem Gefühl begeisterte Pilger – wir haben am Weg einige Menschen getroffen, die bereits den Jakobsweg gelaufen sind oder das planen.
Italien ist im Norden wandertechnisch noch recht gut erschlossen und an Wochenenden war auch immer viel Betrieb in den Bergen (Apenninen). Ab Mittelitalien war es damit allerdings vorbei und unsere Motivation zu wandern war für keinen Italiener verständlich (viele wollten uns auch mit dem Auto mitnehmen). J Daher stammt auch das Zitat und die Wege waren in weiten Teilen überhaupt nicht vorhanden, sodass wir sehr viel über Straßen wandern mussten. Erst auf Sizilien war wieder ein Stück E1 vorhanden.

Wo und mit welcher Technik habt ihr unterwegs am meisten fotografiert?

Lena: Die meisten Fotos haben wir in Skandinavien gemacht. Die weiten Landschaften dort waren einfach überwältigend.

Thilo: Meistens habe ich die Bilder gemacht – Lena fotografiert eigentlich nicht gern, hat aber ab und an bewusst mal ein Foto mit mir gemacht. 😉
Fotografiert habe ich mit einer Sony Nex 3 Systemkamera, mein Gewichtszugeständnis an schöne Bilder – die Handykamera hat einfach eine zu schlechte Qualität.

Ist eure Wanderlust nun erstmal gestillt, oder juckt es schon wieder in den Füßen?

Lena: Schon kurz nach Ankunft am Capo Passero hat es schon wieder in den Füßen gejuckt, sodass wir auf der Heimreise noch den Alta Via die Monti Liguri und die Gotthard-Überquerung gelaufen sind.
Im Moment sind wir noch dabei, wieder im Büroalltag anzukommen. Wir versuchen aber wenigstens am Wochenende, ein bisschen rauszukommen, um unsere Wanderlust zu stillen.

Thilo: Wobei man zugeben muss, dass die E-Wege 2-12 auch sehr interessant klingen! 😉

In ihrer Zeit auf dem E1 haben Lena und Thilo nicht nur unzählige spannende Geschichten erlebt und fleißig an ihrem Blog, Lena & Thilo auf dem E1, geschrieben, sondern auch wundervolle Fotos gemacht. Während es den Blog leider nur auf Deutsch gibt, ist die Sprache der Bilder glücklicher Weise international verständlich.

In diesem Beitrag zeigen wir nur eine kleine Auswahl der vielen Fotos, die Lena und Thilo auf ihrer Reise auf dem E1 gemacht haben. Alle Bilder, vom frostigen Nordkap bis ins sonnige Italien, gibt es auf e1-wanderung.wixsite.com/lena-thilo/galerie